Handelsklassen und Vermarktungsnormen

Baustein 14 (Sekundarstufe I, Klasse 7 – 8)

 

1. Einführung in das Thema
Mehr als die Hälfte unserer Lebensmittel landet im Müll – das meiste davon bereits auf dem Acker und auf Weg vom Acker in den Laden, bevor es überhaupt unseren Esstisch erreicht: Jeder zweite Kopfsalat, jede zweite Kartoffel und jedes fünfte Brot.
Kartoffeln, die zu klein, zu dick sind oder geringe Macken aufweisen, sind nicht mehr verkaufsfähig, weil die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher sie nicht wollen. Dementsprechend werden 40 – 50% der Kartoffeln nach bestimmten Kriterien aussortiert und bleiben somit auf dem Acker liegen. Ein welkes Salatblatt, ein Riss in der Kartoffel, eine Delle im Apfel – sofort wird die Ware aussortiert.
Die Kundschaft bevorzugt aufgrund der großen Lebensmittelauswahl perfekt aussehende Lebensmittel, die jedoch mit der Ernährungsqualität nichts zu tun haben.
In den Bestimmungen der EU-Vermarktungsnormen für frisches Obst und Gemüse, hat der Gesetzgeber zwecks besserer Marktübersicht und zum Schutz der Verbraucher vor "minderwertiger Ware" Güte- und Handelsklassen bindend festgelegt. Die festgesetzten Normen sind der Kritik ausgesetzt, weil nur die äußeren Qualitätsmerkmale, nicht aber die "innere Qualität" eines Produktes bewertet werden.
Bewertet werden also nur Äußerlichkeiten, wie Größe, Farbe oder makelloses Aussehen, nicht aber Inhaltsstoffe, Vitamingehalt oder umweltschonende Erzeugung. Die Einteilung von frischem Obst und Gemüse in Handelsklassen dient allein dem Handel, denn das Gemüse einer Klasse soll möglichst einheitlich aussehen und gut zu transportieren sein. So werden z. B. auch krumme Gurken, die zwar verkauft werden dürfen, in der Praxis nicht gewollt, weil es schwieriger ist, sie zu verpacken und zu verkaufen.
Für den Handel ist die Einteilung bestimmter Erzeugnisse in Handelsklassen also sinnvoll, die Kundinnen und Kunden führt das aber in die Irre. Denn ihnen wird suggeriert, dass Ware der Klasse eins besser sei als die der Klasse zwei. Dabei schmeckt Spargel aus Klasse zwei auf keinen Fall schlechter als aus der Extra-Klasse und er hat auch nicht mehr Vitamine und Mineralstoffe, denn das kommt vor allem auf die Anbaubedingungen und die Sorte an.
Äußerlich makellose Früchte können sogar mehr Rückstände an Düngemitteln und Schädlingsbekämpfungsmitteln enthalten als weniger ansehnliche und kleinere Früchte.

 

2. Mögliche Lehr- und Lernziele
Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage,

  • persönliche Vorlieben bzw. für sie wichtige Merkmale bei der Auswahl bestimmter Obst- und Gemüsesorten zu benennen und zu begründen.
  • das Handelsklassengesetz und die Funktion von Handelsklassen zu erläutern.
  • die Auswirkungen der Einteilung bestimmter LM in Handelsklassen im Hinblick auf Lebensmittelverschwendung zu begründen.
  • sich mit den Kriterien der Handelsklassen und dem damit zusammenhängenden "Ausleseverfahren" kritisch auseinanderzusetzen und eine eigene Meinung dazu zu bilden.

 

3. Mögliche Fragestellungen

  • Warum landen Unmengen von Lebensmitteln bereits auf dem Weg vom Acker bis in den Laden im Müll?
  • Was bedeutet für mich persönlich "Qualität" bei frischem Obst und Gemüse?
  • Was sind Handelsklassen und welche Lebensmittel sind in Handelsklassen unterteilt?
  • Ist ein Apfel der Handelsklasse 2 "schlechter" als einer der Extra-Klasse?
  • Warum gibt es überhaupt Handelsklassen? Wem nützen sie etwas?
  • ...

 

4. Internetlinks und Literaturempfehlungen für Lehrkräfte

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission vom 7. Juni 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates für die Sektoren Obst und Gemüse und Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 157 vom 15.06.2011), AUSZUG: ANHANG I – TEIL B – TEIL 1 VERMARKTUNGSNORM FÜR ÄPFEL
als Download unter:
http://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/02_Kontrolle/01_Qualitaetskontrolle/
02_VermarktungsnormenObstGemuese/EG_Vermarktungsnormen/Aepfel.html?nn=2306144

http://www.planet-schule.de/sf/php/02_sen01.php?sendung=8459

http://www.verbraucherbildung.de/2323.html

 

Vorschläge für den Unterricht

Problematisierung

 

"Was macht für mich einen qualitativ hochwertigen Apfel aus?"

Ziele: Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, persönliche Vorlieben, bzw. für sie wichtige Merkmale bei der Auswahl von frischem Obst und Gemüse zu benennen und diese zu diskutieren.

Dauer: 45 Min.


Inhalt:
In einem offenen Unterrichtsgespräch fragt die Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler nach ihren persönlichen Kriterien für einen hoch qualitativen, bzw. "guten" Apfel: "Was macht für euch einen hoch qualitativen Apfel aus?" oder: "Worauf achtet ihr beim Kauf eines Apfels?"
Die Schülerinnen und Schüler äußern sich dazu; die Lehrkraft notiert die genannten Kriterien in einem Cluster an der Tafel:

Apfelqualität

Schließlich stellt die Lehrkraft eine Korb voller Äpfel (Äpfel der Extra-Klasse, Klasse 1 und Klasse 2) auf das Lehrerpult und bitten die Schülerinnen und Schüler, sich jeweils einen Apfel auszusuchen, den sie gerne essen würden.
Sie suchen sich dementsprechend Äpfel aus (höchstwahrscheinlich alle die Extra-Klasse oder Klasse 1) und begründen nochmals ihre Entscheidung für den einen und nicht für den anderen Apfel. Nachdem sich die Schülerinnen und Schüler über ihre Entscheidungen und ihre persönlichen Merkmale eines "guten Apfels" in Kleingruppen ausgetauscht haben, merkt die Lehrkraft im Sinne einer Provokation an, dass der übrige Rest, für den sich die Schülerinnen und Schüler nicht entschieden haben, oft bereits bei der Ernte einfach im Müll landet. Diese Anmerkung dient einer Diskussion darüber, warum Äpfel, die nicht makellos aussehen, im Müll landen und wer darüber entscheidet. Es ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass sie dabei eigentlich stets "mitentscheiden".


Material:
Mehrere Äpfel einer Apfelsorte in unterschiedlichen Handelsklassen (Extra-Klasse, Klasse 1 und Klasse 2)


Alternative:

Die Bedeutung von "Handelsklassen" im Hinblick auf Lebensmittelverschwendung kann vor allem im Rahmen einer Unterrichtsreihe zu Orientierungshilfen für einen gesundheits- und verbraucherbewussten Einkauf thematisiert werden. Unter dem Aspekt "Lebensmittelkennzeichnung" könnten die Schülerinnen und Schüler verschiedene Lebensmittelverpackungen (auch von frischem Obst und Gemüse) untersuchen und die angegebenen Informationen entsprechend zuordnen und verstehen.

 

Umsetzung

"Was sind Handelsklassen und warum gibt es sie überhaupt?"

Ziele: Die Schülerinnen und Schüler erwerben grundlegende Kenntnisse über das Handelsklassengesetz und die Funktion von Handelsklassen.

Dauer: 1 Std.


Inhalt:
Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten anhand von vorgegebenen Leitfragen den Infotext über Handelsklassen und erstellen dazu ein Plakat mit den wichtigsten Aussagen.

Material:

  • Infotext "Handelsklassen"
  • Leitfragen für den Infotext:

    1. Definition der Lebensmittelkennzeichnung "Handelsklasse"
    2. Aufzählung der betroffenen Obst- und Gemüsesorten (Beispiele)
    3. Informationsgehalt von Handelsklassen (Worüber genau informieren sie den Verbraucher?) -> Äußerliche Qualität
    4. Funktion der Einteilung von frischem Obst und Gemüse in Handelsklassen
    5. Kritik an Handelsklassen

 

"Extra-Klasse, Handelsklasse 1 und Handelsklasse 2 – Wo genau ist denn nun der Unterschied?"

Ziele: Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass es zwischen den einzelnen Handelsklassen eines Apfels keine nennenswerten und großen Unterschiede gibt, indem sie verschiedenklassige Äpfel miteinander vergleichen und bewerten.

Dauer: 1 Std.


Inhalt:
Die Lehrkraft stellt sichtbar für alle Schülerinnen und Schüler vier Äpfel verschiedener Handelsklassen auf den Tisch und erläutert, dass diese heute genauer unter die Lupe genommen werden würden. Die Schülerinnen und Schüler bewerten anhand des Bewertungsbogens und der Info über die Bedeutung der Handelsklassen in Partnerarbeit jeweils vier Äpfel (ein Apfel pro Handelsklasse), indem sie diese beschreiben (Form, Farbe, Größe) und geschmacklich bewerten. Im Anschluss sollen sie ihre Fragestellungen für alle sichtbar an der Tafel befestigen und in einem offenen Unterrichtsgespräch über ihre Ergebnisse und die entwickelten Fragen und ggf. ihre Antworten diskutieren

Material:

  • Äpfel unterschiedlicher Handelsklassen
  • Wasser zur Neutralisierung des Geschmacks
  • Handelsklassen und ihre Bedeutung

    1. Handelsklasse Extra
      • Höchste Qualität, Sortentypisch in Form, Größe und Färbung, unverletzter Stil, 2/3 des Apfels rot gefärbt.

    2. Handelsklasse 1:
      • Gute Qualität, leichte Formfehler in der Entwicklung und Färbung sowie leicht beschädigter Stiel sind erlaubt, die Hälfte des Apfels ist rot gefärbt.

    3. Handelsklasse 2:
      • Fehler in Form, Entwicklung und Färbung sind zulässig.

    4. Handelsklasse 3:
      • Zur Weiterverarbeitung z. B. Saft, Most, Obstler geeignet.

  • Bewertungsbogen

 

Besichtigung einer "Kartoffelplantage"

Ziele: Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, eine Besichtigung eines Kartoffelanbaubetriebs vorzubereiten und durchzuführen. Sie bekommen somit einen Einblick in die tatsächlichen Erntebedingungen von Speisekartoffeln.

Dauer: 30 Min. (Vorbereitung); 1 – 1 ½ Std. (Besichtigung); 1 Std. (Auswertung)


Material:
Informationen zur Kartoffelernte, z. B. http://www.was-wir-essen.de/abisz/kartoffel_erzeugung_ernte_lagerung.php, mögliche Fragestellungen für die Besichtigung (gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern im Unterricht anhand der bisher erarbeiteten Unterrichtsinhalte innerhalb der Reihe erarbeiten)


Inhalt:
Die Schülerinnen und Schüler besichtigen eine "Kartoffelplantage" eines naheliegenden Bauernhofs oder Landwirts und bekommen einen Einblick in das "Auslesesystem" bei der Ernte von Kartoffeln. Im Anschluss daran könnte in der Schulküche gemeinsam ein Kartoffelgericht aus den aussortierten Kartoffeln vom Hof (z. B. Kartoffelsuppe, Kartoffelpuffer) zubereitet und bewertet werden.

  1. Wie viel kg Kartoffeln werden pro Saison geerntet?
  2. Wie viel kg Kartoffeln werden bei der Ernte aussortiert?
  3. Nach welchen Kriterien, bzw. warum werden so viele Kartoffeln aussortiert?
  4. Was geschieht mit den aussortierten Kartoffeln?
  5. An welche Händler werden die Kartoffeln anschließend verkauft und zu welchem Preis werden die Kartoffeln verkauft?
  6. ...

[Stand: 27.09.2012]